12. Juli 2018

Was macht eine Marke wertvoll und ihre Produkte einzigartig?

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Eine Marke besitzt Wiedererkennungswert. Ihr Image garantiert Beachtung in einer Marketing-Welt, in der Aufmerksamkeit oft wichtiger ist als Preise, Qualität oder Leistung. Brand Building, USP-Konzepte und strategische Kommunikation zählen zu den Kernkompetenzen der erfolgreichen Münchner Kommunikationsagentur Hartzkom GmbH. Dr. Sabine Gladkov ist seit 2009 Geschäftsführerin, seit 2010 Inhaberin der traditionsreichen Agentur Hartzkom, die seit 2016 auch in Berlin tätig ist. Die promovierte Politologin hat über 30 Jahre Erfahrung als Redakteurin, Autorin, PR-Consultant und in der Marketing-Kommunikation.

Frau Dr. Gladkov, In Deutschland ist Aldi ebenso bekannt wie Porsche. Garantiert bereits ein Name Umsatz, unabhängig von Branche und Zielgruppe?

Man darf nicht den Namen mit der Marke verwechseln: Die Marke ist viel mehr als ein Wort oder ein Symbol. Deshalb garantiert ein Name – hart gesagt – erstmal noch gar keinen Umsatz. Es kommt neben dem Produkt darauf an, wie einprägsam oder originell der Name ist, wie exakt und nachhaltig er den Nerv der Zielgruppe trifft, mit welchen Emotionen und Erwartungen er aufgeladen wurde, kurz: Wofür er im Kern steht. Aus einem Produkt und seinem Namen eine wertvolle Marke zu machen, ist deshalb ein Prozess, der sich über viele Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinzieht.

Das Image von VW hat seit 2015 sehr gelitten. Trotzdem hatte der Konzern 2017 Rekordverkäufe. Welchen Einfluss hat die Produktqualität auf die Markenwahrnehmung?

Bis auf wenige Ausnahmen ist ein positives Markenerlebnis sehr stark an die Qualität des Produkts gebunden. Natürlich macht ein ästhetisch ansprechend designtes Produkt, das ganz einfach zu bedienen ist, mir vielleicht noch Prestige verschafft und mein Leben spürbar bereichert, mehr Spaß, wenn es langlebig ist und nicht nach zwei Wochen erste Ausfallerscheinungen zeigt. Aber eine Marke besitzt viele Dimensionen: Wenn der Verbraucher VW heute für unredlich hält, bedeutet das einen Imageverlust für die Marke. Assoziierte Produkteigenschaften wie „Langlebigkeit“ oder „tolles Fahrgefühl“ bleiben dennoch erhalten. VW kann seinen Imageverlust daher vielleicht ein Stück weit durch sein bodenständiges Qualitäts-Image kompensieren. Und profitiert sicher auch von der Tatsache, dass VW nicht der einzige Autobauer ist, der mit Abschalteinrichtungen gearbeitet hat…

Brand Building folgt häufig komplexen Strategien. Kommt erst das Produkt, oder erst das Unternehmen? Welche Rolle spielen weitere Faktoren wie Entwicklungsgeschichte, Tradition oder Innovation?

Das kommt ganz auf das Unternehmen, das Produkt und die Ziele an, die man mit der Marke erreichen möchte. Ein Start-Up möchte seine Entwicklung möglichst rasch verkaufen, um die Investition wieder reinzubekommen – da wird der Aufbau der Produktmarke im Vordergrund stehen. Ein Automobilkonzern, um im Bild zu bleiben, baut natürlich auch Produktmarken auf – diese leben aber immer von der großen Dachmarke, die sie überlagert und stärkt. Storytelling ist für beide Arten von Marken extrem wichtig, wird beim Aufbau aber unterschiedlich eingesetzt, um die gewünschte Positionierung zu erreichen.

Marken werden oft mit Köpfen verbunden, den Unternehmern oder auch Werbegesichtern. Welche Bedeutung hat die persönliche Note?

Die Bedeutung war schon immer groß, wächst aber in unserer fragmentierten, immer unpersönlicher werdenden Welt noch weiter. Wir möchten einfach lieber einem Menschen etwas abkaufen oder uns mit einem zufriedenen Kunden identifizieren, als Kunde eines Konzerns zu werden. Wie nachhaltig eine solche Verbindung ist, sieht man sehr schön daran, dass jeder noch weiß, welcher Marke „Herr Kaiser“ zuzurechnen ist – obwohl es die Marke schon seit fast zehn Jahren nicht mehr gibt.

Wer bei Google nicht auf der ersten Seite zu finden ist, hat deutlich schlechteren Traffic. Wie hat sich die Markenwahrnehmung durch die Digitalisierung verändert?

Extrem. Als neue Marke hat man fast gar keine Chance, gesehen zu werden, wenn man nicht unter den Top-Suchergebnissen rangiert. Dabei ist die Google-Suche nur einer von vielen Online-Kanälen, auf denen man präsent sein muss. Für etablierte Marken ist SEO längst selbstverständlich, sie stellt die Digitalisierung vor andere Herausforderungen: Wie gehen sie mit der Vielfalt und Dynamik sozialer Medien um, wie behalten sie den Überblick über die zahlreichen Kanäle, die laufend mit hochwertigem Content bespielt und oft interaktiv betrieben werden müssen…

Produkte und Dienstleistungen werden heute online ausführlich kommentiert, besprochen und bewertet. Welche Rolle spielen diese Urteile für eine Marke?

Keine Marke kann negative Kritik im Web ignorieren. Wie verwundbar sie für Foren Bashing, schlechte Bewertungen oder einen Social Media Shitstorm ist, hängt aber auch von ihrer Kraft ab: Ein neuartiger Kugelschreiber, der bei Amazon verkauft wird, spürt jede Negativwertung am Umsatz. Ein Konzern wie Nestlé hingegen kann sogar von einem Bumerang-Hashtag wie #FragNestle noch profitieren, wenn die negativen Stimmen professionell abgeholt und beantwortet werden.

Welche Stellenwerte haben traditionelle Werbung und gezielte PR beim Brandbuilding, kann Social Media hier Marktsegmente ersetzen?

Beim Aufbau einer Marke spielen alle drei Instrumente eine wichtige Rolle: Werbung sorgt für rasche Reichweite und den Aufbau von Bekanntheit. PR stärkt das Vertrauen in die Marke und transportiert die Details. Social Media stellt den Kontakt zu den Zielgruppen her und kann ihre Rückmeldungen wieder ins Marketing integrieren. Die Wirkung sozialer Netzwerke ist aber zu wenig konstant, zu erratisch und zu wenig glaubwürdig, um die anderen Instrumente wirklich ersetzen zu können. Ideal, auch in wirtschaftlicher Hinsicht, ist eine kluge Vernetzung der verschiedenen Maßnahmen über alle Kanäle hinweg.

Hat ein gutes Produkt heute noch eine Chance, seinen Markt zu finden – ohne Marketing und klingenden Namen?

Es kommt darauf an, wie man Markt definiert. Ich schaffe mir in meiner Freizeit beispielsweise als Hobby-Imkerin einen Ausgleich zum Job. Der Honig ist meist schon weg, bevor er geerntet werden kann, weil jeder, der davon weiß, sich frühzeitig sein Glas sichert. Und für seine Familie und seine Freunde gleich mit. Als Markt für den Absatz meiner Produkte ist das völlig ausreichend, und er war fast aus dem Stand mit null Marketing zu erschließen, einfach durch die Qualität des Produkts. Hätte ich aber 150 Völker und eine richtige Imkerei, würde der Absatz auf dem Weg zu lange dauern – und ich müsste richtig in die Vermarktung einsteigen. Wer also mit seinem Produkt Geld verdienen will, muss ausreichend Bekanntheit dafür herstellen. Allein „analoge“ Mund-zu-Mund-Propaganda dürfte dafür nicht ausreichen.

Alleinstellungsmerkmale werden häufig bemüht, um das Besondere eines Produktes hervorzuheben. Meist sind es Kleinigkeiten – genügt das für ein USP-Image?

Dass es gerade die Kleinigkeiten sind, die den Unterschied machen, wird deutlich, wenn Menschen mit Leidenschaft eine bestimmte Zigarettenmarke rauchen, Biersorte trinken oder Sportschuhe tragen. Die Unterschiede sind meist winzig bis gar nicht erkennbar. Hier macht die Ausgestaltung und Aufladung der Marke den eigentlichen Unterschied aus, ob man sich angesprochen fühlt oder nicht. Das Storytelling ist wichtig – und falls es einen echten Unterschied im Gebrauchswert, Geschmack oder Design gibt, ist das umso besser für die Differenzierung.

Wie machen Sie ein Produkt oder eine Dienstleistung, die in ähnlicher Form von vielen Konkurrenten angeboten wird, unique?

Erst einmal, indem wir das Angebot ganz genau kennenlernen – in all seinen Facetten, seiner Historie, mit den Personen, die daran beteiligt sind oder waren. Und indem wir den Mitbewerb analysieren, die potenziellen Zielgruppen, die Rahmenbedingungen am Markt. Meist zeigt sich sehr schnell, wo die Punkte sind, die sich gut für eine erfolgreiche Positionierung einsetzen lassen. Den uniquen Charakter „machen“ wir nicht. Wir arbeiten ihn nur heraus und spinnen den Faden weiter, bis daraus ein stringentes, markttaugliches Markenkonzept entsteht. Den Fall, dass eine Marke am Markt einen absolut identischen Zwilling hätte, hatten wir jedenfalls noch nie.

Marken helfen bei der Kauforientierung, schaffen aber auch Trends und bieten nur selten das beste Preis-/Leistungsverhältnis. Hat die Urteilsfähigkeit der Kunden über die Jahre zu- oder abgenommen?

Der Verbraucher ist heute kompetenter, kritischer und besser informiert denn je. Fragen Sie nur mal den Handel, wie schwierig es geworden ist, einen Kunden zu beraten und das Gespräch dann auch mit einem Kauf abzuschließen. Trotzdem behalten Marken für den Verbraucher ihre Bedeutung als Orientierungspunkte, als Herzensangelegenheit, als Prestigeobjekt und als konsumtechnische Heimat. Der Preis ist nicht alles, und je stärker die Marke, desto geringer seine Bedeutung.

Welche PR- und Marketing-Kanäle werden in den nächsten Jahren eine zentrale Rolle spielen?

Das einzige, was man pauschal sagen kann: Der passgenaue Zuschnitt der Kampagnen wird immer wichtiger. Die Zeit für Gießkannen ist vorbei. Die Kanäle müssen je nach Kundensegment ausgewählt, hochwertig bespielt und intelligent miteinander vernetzt werden. Vor diesem Hintergrund wird Bewegtbild sicher noch weiter an Bedeutung zunehmen, aber auch Gamification, VR und AR im Sinne von: Räume zum Entdecken schaffen, die dem Nutzer inhaltliche und technische Überraschungen bieten. Einen Megatrend wird das Zusammenwachsen von Content Management, PR und Performance Marketing zu integrierten Produkten sein, die wir heute schon unter unserer Marke „PRformance“ kreieren.

Frau Dr. Gladkov, wir danken für Ihre interessanten Antworten.